Das Buch Alice

Alice Urbach, aus wohlhabender jüdischer Familie stammend, wurde in den 30er Jahren in Wien durch Talent, Durchsetzungsvermögen und Ehrgeiz Köchin, Konditorin und Kochbuchautorin. Die intelligente Geschäftsfrau, die den ersten Lieferservice gründete, musste vor den Nazis fliehen, welche ihre Bücher unter einem männlichen Autorennamen weiterverkauften. In San Francisco gab sie erfolgreich Kochkurse. Die Historikerin Karina Urbach hat auf Drängen ihrer in USA lebenden Cousine die Geschichte ihrer vom Ehemann betrogenen, aber stets witzigen und charmanten Großmutter aufgearbeitet. Niemand in der Familie hatte eine Ahnung vom Leben und Wirken dieser grandiosen Frau. Alice stieß nach dem Krieg in einer Buchhandlung auf ihr eigenes Kochbuch, in dem alles, was die klassische Wiener Küche an Köstlichkeiten hergab, enthalten ist. Vergebens kämpfte sie um dieses Buch, das den fiktiven Autorennamen Rudolf Rösch trug. Erst Alice entdeckte auf eigene Initiative, dass diese Form des geistigen Diebstahls viele weitere jüdische Autorinnen und Autoren betraf. Historiker/-innen beschäftigen sich erst seit 20 Jahren mit dem Thema "Arisierung". Karina Urbach, als Autorin von Sachbüchern und Krimis bekannt (zul. "Queen Victoria", BP/mp 2019), beherrscht die Kunst, in historisch distanziertem Ton die Lebensgeschichte ihrer Oma, die in der Zeit der Wirtschaftskrise heute noch aktuelle unternehmerische Strategien entwickelte, packend, jedoch relativ emotionslos zu erzählen. Alle 17 Kapitel mit Vorwort und Dank lesen sich spannend, wobei "Bücherdiebe" herausragt. Ein Anhang von 90 Seiten lässt auf gründliche Recherche schließen. Sehr empfehlenswert für alle Bestände.