Der Südelefant

Früh am Morgen verlässt der georgische Ich-Erzähler, ein Ex-Filmemacher und jetzt Werbetexter, seine Wohnung, die er für einen Tag seinem Jugendfreund Tazo überlassen hat, der dort eine Frau erwartet. Er streift daraufhin einen ganzen Tag meist ziellos durch Tiflis, das hier mit seinem georgischen Namen Tbilissi genannt wird, teilt Erinnerungen und Anekdoten mit den Lesern/innen, trifft alte Bekannte, sinniert über künstlerische Jugendträume und deren Scheitern in den neuen kapitalistischen Zeiten und chattet mit seiner in den USA lebenden Tochter. Man könnte dem Ich-Erzähler auf einem Stadtplan folgen. Er nennt die Straßennamen, beschreibt manchmal einzelne Gebäude, oder porträtiert ein bestimmtes Viertel, die Menschen und die Stimmung dort; er sitzt im Park oder in einem Café, beobachtet und erinnert sich: an die eigene Kindheit und Jugend, die Zeit der Sowjetdiktatur und die Anarchie nach der Unabhängigkeit, an den Ossetienkrieg und seine Folgen und nicht zuletzt an den eigenen Vater. Der Autor nimmt die Leser/innen mit auf eine melancholische, inspirierende Reise, die er in vielen Bildern beschreibt. Der Vergleich mit Joyce' Ulysses liegt nahe, da der Autor selbst sein Vorbild erwähnt. Tiflis ist seine Heimat, wie er selbst am Ende des Tages zu Tazo sagt: "Und während ich so viel rumlief, habe ich eine Sache begriffen, nein, nicht begriffen, eher gespürt ... Wie soll ich es dir sagen? Vielleicht irre ich mich auch, aber ich glaube, dieser Ort ist gar nicht so schlecht, um hier zu leben, unsere Stadt, meine ich ...", worauf sein Freund zu seinem Entsetzen antwortet: "Sie ist grausam." Ein eindrucksvolles Beispiel georgischer Literatur, dem Gastland der Frankfurter Buchmesse. (Übers.: Nino Haratischwili u. Martin Büttner)