Das Böse
Solange es Menschen gibt, erfahren und spüren sie das Böse. Solange es Religion, Philosophie und Dichtung gibt, befassen sich die Menschen auch gedanklich mit dem Bösen, ohne bis jetzt ein allseits akzeptiertes Verständnis gefunden zu haben. Unzählige Definitionen wurden versucht, unzählige Phänomene beschrieben, unzählige Reflexionen angestellt. Im Christentum entstand eine Theologie der Erbsünde, des Teufels und der Sünde. Viele dieser Versuche haben wichtige Aspekte aufgezeigt, ohne dass sich eine definitive Gesamtschau ergeben hätte. In die große Reihe dieser vielen Versuche reiht sich auch das Buch von Eagleton ein. Als Professor für Kulturtheorie und Literatur verfügt er über reiches Anschauungsmaterial in der Geschichte und in der Literatur. Darüber hinaus befasst er sich mit genauen Beobachtungen des menschlichen Alltags. Über all das weiß er kurzweilig und geistreich zu erzählen. Scharfsinnig weist heute übliche Sichten zurück. So ist z. B. für ihn das Böse nicht das Ergebnis gesellschaftlicher Verhältnisse, da eine solche Erklärung für ihn den Versuch darstellt, die Verantwortlichkeit des Menschen zu mindern. Auch liberale und idealistische Gedankengänge oder eine Dämonisierung des Bösen lehnt er klar ab. Ob allerdings seine eigene Deutung des Bösen als metaphysische Macht und die Favorisierung psychoanalytischer Gedankengänge zur Erklärung des Bösen weiterführen, darüber lässt sich trefflich diskutieren - aber das ist ja auch Sinn der Sache. Das Buch wird sich einem breiteren Leserkreis wegen seiner vielen Gedankengänge kaum erschließen, könnte aber bei philosophisch, psychologisch und theologisch geschulten Lesern zur Auseinandersetzung mit dem wichtigen Thema von Interesse sein.
Werner Trutwin
rezensiert für den Borromäusverein.
Das Böse
Terry Eagleton
Ullstein (2011)
207 S.
fest geb.