Berlin - Flirrende Stadt
In großem zeitlichen Abstand zu den ersten beiden Bänden (in Deutschland 2004 (MP 1/04) und 2008 (BP 09/231) erschienen) hat der amerikanische Zeichner und Autor Lutes nun seine großartige Bilderzählung zu den Verlockungen und den sozialen Verwerfungen im Berlin der späten 20er und frühen 30er Jahre vollendet. Am Vorabend des Dritten Reiches schlagen die Hauptprotagonisten der vorangegangenen Folgen, deren Wege sich auch im Abschlussband immer wieder kreuzen, unterschiedliche Pfade ein: Die verwaiste, heranwachsende Silvia schließt sich der kampfbereiten kommunistischen Jugend an, die jüdische Familie Schwartz, bei der Silvia eine Zeitlang untergekommen war, wandert zu Verwandten nach Amerika aus, Marthe Müller, die 1928 als junge Kunststudentin in der Spree-Metropole ihre Zukunft sah, kehrt nach schmerzhaften Abschieden von ihrer lesbischen Freundin Anna und ihrem einstigen Geliebten, dem Journalisten Kurt Severding, desillusioniert in die rheinische Provinz zurück, und der dem Alkohol verfallene, unter den Zeitumständen leidende Kurt geht in der Hauptstadt einer ungewissen Zukunft entgegen. Geschickt versteht Lutes, das Schicksal seiner Akteure mit dem realen geschichtlichen Hintergrund der Monate vor der Machtergreifung Hitlers zu verknüpfen; seine oft von scharfen Kontrasten geprägten Schwarz-Weiß-Zeichnungen fangen die Stimmungen der Erzählung gut ein. Dieser Dreiteiler ist für Büchereien, die Wert auf ihr Graphic-Novel Angebot legen, ein absolutes Muss.
Siegfried Schmidt
rezensiert für den Borromäusverein.
Berlin - Flirrende Stadt
Jason Lutes
Carlsen (2018)
Berlin ; [3]
153 S. : überw. Ill. (z.T. farb.)
kt.