Drei Sekunden Jetzt

Francois, aus dessen Perspektive erzählt wird, wird das Findelkind von seinen Pflegeeltern genannt. Mit 13 Monaten hatte ihn seine unbekannte Mutter in einem Einkaufswagen eines Kaufhauses in Marseille abgelegt. Er wird sehr streng von einem rigiden Drei Sekunden Jetzt Pflegevater erzogen und macht sich bei erster Gelegenheit aus dem Staub. In einem dubiosen Hotel, das von Matthieu, einem ehemaligen Klassenkameraden, der offensichtlich in kriminelle Geschäfte verwickelt ist, geleitet wird, findet er eine Anstellung. Er muss miterleben, wie ein Gast aus Überdruss am Leben russisches Roulette spielt und dabei umkommt. In Amerika, wo er sich wegen einer kriminellen Transaktion aufhält, macht er die Bekanntschaft von Anni, in die er sich Hals über den Kopf verliebt. Inzwischen in akuten Geldnöten lebt er bis zum Rückflug nach Marseille als Penner auf der Straße. Zurück in Marseille, ist das Hotel verwaist, und Matthieu offensichtlich auf der Flucht vor der Polizei. Wieder macht Francois sich auf ins Ungewisse. In dem gleichen Kaufhaus, in dem man ihn als Findelkind gefunden hatte, legte er sich nun wieder in einen der geräumigen Einkaufswagen und wird tatsächlich von seiner Pflegemutter gefunden. Damit schließt sich auf positive Weise der Kreis für das Schicksal eines Menschen, der ohne Ziel und Absicht durchs Leben treibt, der alles dem Zufall überlässt und nur im Hier und Jetzt lebt. Es ist ein beinahe existenzialistischer Lebensentwurf, der hier paradigmatisch und mit beeindruckender sprachlicher Meisterschaft vorgeführt wird, ohne dass er an der Elle des Realismus gemessen werden sollte.

Helmer Passon

Helmer Passon

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Drei Sekunden Jetzt

Drei Sekunden Jetzt

Hans Platzgumer
Zsolnay (2018)

251 S.
fest geb.

MedienNr.: 879776
ISBN 978-3-552-05885-9
9783552058859
ca. 22,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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