Versteckte Jahre
"Verantwortung ist eine Entscheidung. Wer sich verantwortlich fühlt, der handelt. Pepi entschied, dass er im Leben meines Großvaters eine Rolle zu spielen hatte." Mit diesem Satz umreißt Anna Goldenberg das Motiv des Kinderarztes Dr. Josef (Pepi) Feldner, den Großvater der Autorin, Hansi, zu sich zu nehmen, ihn vor den Nazis zu verstecken und so vor der Deportation und Ermordung zu bewahren, während seine Eltern und sein Bruder dem antisemitischen Vernichtungswahn zum Opfer fielen. Gestützt auf amtliche Dokumente, Briefe, Fotografien, Gespräche mit noch lebenden Familienmitgliedern, Interviews mit verschiedenen Zeitzeugen, vor allem aber aufgrund der persönlichen Aufzeichnungen Hansis erstellt Goldenberg ein anschauliches, gut nachvollziehbares Bild der weitverzweigten Familiengeschichte im Wien vor und während der Zeit des Nationalsozialismus, das sie zusätzlich durch zeitnahe bzw. aktuelle Einblicke in ihre eigene Verquickung mit der Vergangenheit ihrer Familie konkretisiert. Sachlich, dennoch lebendig und emotional erzählt sie von den leidvollen Erfahrungen ihrer Großeltern, dem Verlust von materieller Sicherheit, von Würde und jeglicher Daseinsberechtigung, vom letztlich vergeblichen Bemühen, dem NS-Terror durch Emigration zu entkommen, aber auch von selbstloser Hilfsbereitschaft, von auf Zukunft ausgelegtem Optimismus und Überlebenswillen. - Ein ehrliches, sehr persönliches Buch, das ohne Einschränkung zu empfehlen ist!
Inge Hagen
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Versteckte Jahre
Anna Goldenberg
Zsolnay (2018)
186 S. : Ill.
fest geb.