Cherubino

Iris Schiffer ist Ende 30, mit einem Sängerkollegen liiert, leidenschaftlich wie heimlich einem verheirateten Mann ergeben und schwanger. Um selbstbestimmt und ihrer Vorstellung entsprechend leben zu können, muss sie einiges verheimlichen. Dem Freund Cherubino den Liebhaber, zwei Opernhäusern ihre Schwangerschaft und sich selbst die Vaterschaft ihres Kindes. Gerade als sie den Durchbruch als Sängerin durch eine spektakuläre Aufführung als Cherubino in Mozarts Figaros Hochzeit schafft und bei den Salzburger Festspielen ein vielversprechendes Angebot bekommt, stellt Iris fest, dass sie schwanger ist. Der Leser kommt der Frauenfigur durch Teilhabe an ihrer Gedankenwelt sehr nah. Da kann sie sich nur schwer vorstellen, mit ihrem Freund, dem selbstbewussten Italiener Sergio, eine Familie zu gründen, wie sehr er sich auch auf sein vermeintliches Kind freut. Sie beendet kurzerhand die Beziehung, wobei die Verbindung auf Grund Sergios Hartnäckigkeit letztlich über die Geburt hinaus bestehen bleibt und das Familienidyll vielleicht doch fortgeschrieben wird. Dies lässt die Autorin nach einem eher enttäuschenden, da recht banalen Finale, dann doch im Dunklen. Gefühlt ist das werdende Leben für Iris das Produkt einer innigen Liebesnacht mit Ludwig, dem als Partner Unerreichbaren, aber stundenweise sehr zugewandten Liebhaber. Mit zunehmendem Bauchumfang, der wohl auch durch Kapitelüberschriften dokumentiert wird, wächst auch das Selbstbewusstsein der Sängerin und sie ertrotzt sich jede Rolle, gerade, weil sie unbequem erscheint. Aufgefangen von einer stabilen Familie und einer energischen Managerin kann sich da die Protagonistin schon ausleben und bietet der Autorin die Möglichkeit, Emanzipation in Idealform darzustellen, die sich den Herausforderungen der Realität nicht stellen muss, mit denen sich viele berufstätige Frauen herumschlagen müssen. Der Roman bietet aber gute und leichtfüßige Unterhaltung und füttert Kleinmädchenträume. (Nominiert für den Deutschen Buchpreis)

Christine Vornehm

Christine Vornehm

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Cherubino

Cherubino

Andrea Grill
Zsolnay (2019)

317 S.
fest geb.

MedienNr.: 598855
ISBN 978-3-552-05949-8
9783552059498
ca. 23,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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