Joseph Anton
Am 14. Februar 1989, einem Valentinstag, wurde das Leben von Salman Rushdie ein anderes. Den 1947 in Bombay geborenen und 1965 nach England gekommenen Autor ereilte ein Todesurteil auf Raten: Der iranische Revolutionsführer Khomeini hatte die Fatwa über Rushdies im Herbst 1988 erschienenen Roman "Die satanischen Verse" ausgesprochen. Für Rushdie begannen Jahre der Isolation. Personenschutz, Sicherheitsprogramme, Abschirmung von der Außenwelt, ständige Aufenthaltswechsel bestimmten die äußeren Bedingungen. Der Autor selbst wird zu einer Schattenfigur namens Joseph Anton (der Schutzname ist eine Hommage an seine Lieblingsautoren Conrad und Tschechow), die sich inmitten des verfolgten Lebens immer wieder des eigentlichen Schreibberufs versichern muss. Erstaunlicherweise gelingt das. Salman Rushdie erzählt - trotz der Distanz der dritten Person - eindringlich und minutiös die kurze Vorgeschichte der Fatwa, die sich mit Demonstrationen, Buchverboten in Indien und Südafrika und einer Bücherverbrennung in Bradford ankündigte, und erspart dem Leser kaum ein Detail der langen Nachgeschichte. Ein Übersetzer in Japan wurde ermordet, es gab Anschläge und erneute Todesdrohungen. Fast ein Wunder, dass der Autor das Lebensvertrauen nicht verlor und später auch wieder öffentliche Auftritte wahrnahm. Er sprach mit Günter Grass, besuchte Wallraff, saß neben Prinzessin Diana in der Oper und wurde von der Rockgruppe U2 auf die Bühne gebeten. Ein Erinnerungsbuch über den gefährlichen Ruhm eines "Meinungsfreiheits-Märtyrers" und die Bekenntnisschrift eines "erklärten Gottlosen", der nicht aufhören kann, über Gott und Religion zu schreiben.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
Joseph Anton
Salman Rushdie
C. Bertelsmann (2012)
719 S.
fest geb.