Der Garten der Dissidenten
Heldin dieses neunten Romans von Jonathan Lethem ist Rose Zimmer, eine osteuropäische Immigrantin in New York, ein übermütiges Energiebündel, eine Matriarchin, eine Kommunistin. Der Roman verfolgt ihre Familiengeschichte von den wilden 1920-er Jahren bis zur Gegenwart. Sie verzweigt sich in ein Labyrinth von weltanschaulichen Lebenswegen, auf denen es nicht immer gelingt, das Richtige im Falschen zu finden. Roses Mann wird als Agent zurück in die DDR beordert, ihre hochbegabte Tochter Miriam driftet in die Hippieszene der 1960er Jahre ab, ihr Enkel wird zum Hobbypazifisten und Anhänger der Occupy-Bewegung, und ein mutmaßlich unehelicher Sohn aus Roses Beziehung zu einem schwarzen Polizisten - weshalb sie die Partei in den 1950ern aus ihren Reihen ausgeschlossen hat - avanciert zum beliebten Literaturprofessor. Wie ein roter Faden zieht sich die Irrtümlichkeit jeder (nicht der nur kommunistischen) Ideologie durch den Roman. Verwaiste Utopien, ratlose Revolten, angestrengte antibürgerliche Weltverbesserungsversuche und das tragikomische Schicksal an der Frontlinie politischer Wünsche - das sind die Themen dieses Buches, die manchmal in ausgreifenden und selbstverliebten Gesprächen ertrinken, aber immer wieder eindrücklich die Arbeit an der Desillusionierung des amerikanischen Freiheitstraums dokumentieren. Es ist auch ein Bruchstück von Lethems eigenem Leben, das hier erzählt wird. Kein einfacher, aber ein kreativer und lehrreicher Roman über jüdisch-amerikanische Emigranten und ihre Identitätssuche. Für größere Bestände geeignet.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
Der Garten der Dissidenten
Jonathan Lethem
Tropen (2014)
476 S.
fest geb.