Seekrank in München
Eigentlich wollte Jung, ein Isländer Anfang 20, nach Deutschland kommen, um in Berlin als Künstler zu leben. Doch es ist die Zeit des Kalten Krieges, Berlin scheint ihm zu gefährlich und er landet in München. Doch Island - so beschreibt es zumindest der Autor - ist zu dieser Zeit mehr als hinterwäldlerisch und zurückgeblieben, und so ist der Aufenthalt in der bayerischen Metropole für Jung so etwas wie eine Reise auf einen anderen Stern: Der verschrobene junge Mann, der schon in Island gekleidet war wie sein eigener Großvater, fällt auf; und ihm selbst bereitet es große Schwierigkeiten, sich in dieser neuen Welt zurechtzufinden: Es konsterniert ihn, dass man hier Zigaretten an allen Ecken im Automaten kaufen kann, er weiß nicht, was Kondome sind, lernt zum ersten Mal Joghurt kennen und trinkt zum ersten Mal - und das mit großem Widerwillen - Bier. Kein Wunder, dass sein Einleben in die bajuwarische Welt sehr holperig verläuft. - Eine wunderschöne Geschichte mit viel Situationskomik. Leider ist der Erzählstil nicht so ironisch-humorvoll, wie es der Handlung entsprechen könnte - ein Tribut an die Übersetzung? Dennoch ein lesenswertes Buch à la Herbert Rosendorfer ("Briefe in die chinesische Vergangenheit"), das dem Leser die eigene Welt (der 80er Jahre) mal unter einem anderen Blickwinkel zeigt. Jeder Bücherei zu empfehlen. (Übers.: Karl-Ludwig Wetzig)
Günter Bielemeier
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Seekrank in München
Hallgrimur Helgason
Tropen (2015)
415 S.
fest geb.