Tagebuch eines Sturzes

Der Roman ist das Resultat eines (fiktionalen) Schreibversuchs: Der namenlose Ich-Erzähler, der unter Alkoholkonsum, Depressionen und Bindungsunfähigkeit leidet, schreibt Erinnerungen an seine Jugendzeit auf und setzt diese in Beziehung zu den hinterlassenen Tagebuch eines Sturzes Aufzeichnungen seines Großvaters und den Notizen seines Vaters. So entsteht das Bild dreier Männer aus drei Generationen, die lange unfähig sind, ihre Lebenserfahrungen zu verarbeiten und ihre Erinnerungen präsent zu halten. Der Großvater sprach als Auschwitz-Überlebender, der nach dem Krieg nach Brasilien kam, niemals von seinen Erlebnissen im KZ, sondern malte ein idealisiertes Bild von der neuen Umgebung. Der Vater hielt quasi in Vertretung für den Großvater die Erinnerung an die Shoah hoch, wurde dann aber durch den Suizid des Großvaters vor den Kopf gestoßen. Später erkrankte er an Alzheimer. Der Enkel lud als Schüler mehrfach Schuld auf sich: So beteiligte er sich an einem inszenierten Sturz, durch den ein nicht-jüdischer Mitschüler schwer verletzt wurde. Der Protagonist erkennt, wie falsch er, sein Vater und Großvater mit den Erfahrungen des Lebens umgegangen sind. Auf leise Art plädiert er für einen offenen und aufrichtigen Umgang mit Schuld und Leid. Sein empfehlenswertes "Tagebuch" richtet sich übrigens an sein noch ungeborenes Kind, dem er ein besserer Vater sein will. Michael Laub (geb. 1973) zählt in Brasilien zu den wichtigsten Autoren seiner Generation. Ein lesenswerter Roman aus dem Buchmesse-Gastland Brasilien.

Thomas Völkner

Thomas Völkner

rezensiert für den Borromäusverein.

Tagebuch eines Sturzes

Tagebuch eines Sturzes

Michel Laub
Klett-Cotta (2013)

175 S.
fest geb.

MedienNr.: 575825
ISBN 978-3-608-93972-9
9783608939729
ca. 19,95 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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