Bismarck
Nach anfänglicher Überhöhung zum Nationalmythos und späterer Dämonisierung als Wegbereiter der Katastrophen des 20. Jahrhunderts sollte im 21. Jahrhundert ein nüchterner Blick auf den "Eisernen Kanzler" möglich sein. Der Passauer Geschichtsprofessor Kraus stellt Bismarck als Mann mit Licht- und Schattenseiten dar, ausgestattet mit vielen Begabungen, Charakterstärke und politischer Durchsetzungskraft, aber auch mit einer Neigung zu kleinlicher Rachsucht. Er attestiert seinem Protagonisten wirkliche historische Größe, da dieser wie kaum ein anderer europäischer Staatsmann den Lauf der jüngeren Geschichte beeinflusst habe. Zu den bis heute nachwirkenden Leistungen zählt Kraus die Herbeiführung der Reichseinheit in föderaler Vielfalt, die innere Konsolidierung des Reiches sowie die Grundlegung des Sozialstaates. Als gravierende politische Fehlleistungen seien u.a. "Kulturkampf", Sozialistenverfolgung und Germanisierungspolitik in den polnischen Gebieten zu werten. Das heutige Deutschland, so der Autor, sollte die aktive Friedenspolitik Bismarcks nach 1871 als wertvolles Erbe aufgreifen. - Diese anspruchsvolle Biografie eines faszinierenden Politikers wie zugleich glänzenden Redners und Stilisten schöpft aus den reichhaltigen Quellen und eignet sich gut für größere Bestände.
Johann Book
rezensiert für den Borromäusverein.
Bismarck
Hans-Christof Kraus
Klett-Cotta (2015)
330 S.
kt.