Ein radikaler Papst
Wohin will Papst Franziskus die Kirche führen? Das Wunschdenken vieler Medien- und Kirchenleute sorgt noch immer für Verwirrung. Erbachers Buch hebt sich wohltuend davon ab, weil es zwar die unerfüllt gebliebenen Desiderate der beiden vorausgegangenen Pontifikate schonungslos benennt, aber doch ihnen Gerechtigkeit widerfahren lässt und die Kontinuität des neuen Papstes mit seinen Vorgängern herausarbeitet. Sachlich solide werden die theologischen wie spirituellen Grundlagen von Papst Franziskus vorgestellt, seine Erfahrungen als Jesuit wie als Erzbischof für die Deutung seines Handelns als Papst fruchtbar gemacht. Offen wird auch über die Widerstände gesprochen, die dem Papst begegnen, wobei leider auch hier die "Konservativen" recht undifferenziert in die Ecke der Ewiggestrigen gestellt werden. Der Autor gibt zu, dass die radikale Erneuerung der Kirche nicht ohne Ungeschicklichkeiten und Verletzungen vor sich geht, gewichtet aber doch die großen Ziele des Papstes stärker: eine effektiv arbeitende und geistlich erneuerte Kurie, klare Finanzstrukturen, die Ablösung einer italienisch oder europäisch geprägten Kirche durch eine Weltkirche, die missionarisch und den Armen zugewandt ist. Tiefer geht der Disput darüber allerdings nicht, und so bleiben doch auch viele Fragen unbeantwortet. Dennoch lesenswert, um Papst Franziskus besser verstehen zu lernen.
Richard Niedermeier
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Ein radikaler Papst
Jürgen Erbacher
Pattloch (2014)
287, [16] S. : Ill. (farb.)
fest geb.