Niemandssprache

Die meisten Menschen, die in Europa Jiddisch sprachen, wurden in der Schoah umgebracht. "Jiddischland" ist heute eine "Niemandswelt". Nicht untergangen aber ist die jiddische Literatur. Sie ist in der Biografie eines ihrer bedeutendsten Dichter von Niemandssprache der habilitierten Jiddistikforscherin Efrat Gal-Ed rekonstruiert und auf faszinierende Weise nacherzählt worden. Itzig Manger (1901-1969) stammt aus dem Milieu der säkularen jüdischen Kultur Osteuropas. Czernowitz und Warschau sind die ersten Stationen, das Exil beginnt in Paris und London, führt den Dichter, der seit 1918 in der jiddischen Sprache der Minderheitenkultur schreibt, weil sie für ihn nicht nur Muttersprache, sondern auch ein "vertrautes Idiom und verläßliches Bild" ist, dann nach New York und Montreal und schließlich nach Israel. Die Biografie ist umfangreich und akribisch recherchiert; ungewöhnlich, aber höchst hilfreich ist die Form der Talmudseite mit dem Haupttext im Zentrum, umringt von Kommentaren, Briefen, Quellen und Bildern. So entsteht ein reichhaltiges Dichter-Porträt und zugleich ein herausragendes Zeugnis einer heute verschwundenen europäischen Kultur. Sehr empfehlenswert für ausgebaute Bestände!

Michael Braun

Michael Braun

rezensiert für den Borromäusverein.

Niemandssprache

Niemandssprache

Efrat Gal-Ed
Jüdischer Verl. im Suhrkamp-Verl. (2016)

784 S. : zahlr. Ill. (z.T. farb.)
fest geb.

MedienNr.: 819161
ISBN 978-3-633-54269-7
9783633542697
ca. 49,90 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Li
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