Auswärts lesen
Viele Schulen organisieren den Besuch eines Autors, der den Schülern hautnah Literatur vermitteln soll. Wie erlebt ein Verfasser von Büchern für jugendliche und erwachsene Leser eine solche Begegnung? Im Gegensatz zu literarischen Lesungen erwartet ihn eine Zuhörerschaft, die erst für Literatur gewonnen werden will. Wie dies technisch umzusetzen ist, wie weit sich Literaturvermittlung von Medienkonsum unterscheiden soll, dies zeigt Burkard Spinnen sorgfältig auf. Getreu der Erkenntnis Nietzsches, ein literarischer Text halte Gebärden und Leben fest, übersetzt er gleichsam beim Vorlesen die Gebärden zurück ins Leben. Damit ist natürlich die Bedeutung von Literatur überhaupt thematisiert. Der Fachmann zeigt auf, dass die Beschäftigung mit Literatur Sprachkompetenz vermittelt, die jeder Sachkompetenz voranzugehen habe. B. Spinnen spannt den Bogen bis hin zur gesellschaftlichen Rolle der Geisteswissenschaften, die "Selbstdenker und Generalisten" inmitten einer eher konformen Gesellschaft hervorbringen sollen. Der Leser dieser lebendigen, ja fast kurzweiligen Abhandlung erlebt, dass Lesekultur letztlich Sprachkultur ist. - Das Buch gehört in die Hände von allen, die mit Bildung zu tun haben.
Bernhard Grabmeyer
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Auswärts lesen
Burkhard Spinnen
Residenz-Verl. (2010)
95 S.
kt.