Lostage

Lostage titelt der Roman die einzelnen Geschichten, die in der Zusammenschau durch ihre mannigfaltigen Verbindungen einen Roman bilden. Damit sind schicksalshafte Moment im Leben der Protagonisten gemeint, die Wendungen, Aufbrüche oder eine Zäsur Lostage bedeuten. An Elenas 88. Geburtstag, einer der erstauftretenden Romanfiguren, wird der Reigen eröffnet. Das fröhliche Fest ist im Kopf der Jubilarin von einer bedrückenden Szene aus der Vergangenheit überschattet. Der frühe Tod eines Nachbarmädchens geht ihr nicht aus dem Kopf. Damit ist die Episode abgeschlossen, jedoch werden nun sukzessive biographische Detailaufnahmen peripher Beteiligter zunächst ohne Bezug aufgegriffen und durch Zeitsprünge der Roman weitergesponnen, bis ein Bild entsteht. Dabei wird die Zeitspanne der frühen 60er Jahre bis zur Gegenwart seziert und beispielhaft an schicksalshaften Lebensmomenten dokumentiert. Von weiblicher Konkurrenz, Flucht in das Abenteuer als Kriegsfotografin, Geisteskrankheit, Schuldgefühle, Schatten der Nazizeit, Prager Frühling, Krieg, häusliche Gewalt, Selbstmordattentate, Unternehmenskultur im digitalen Zeitalter bis hin zum Erfolgsoptimierungswahn bedient sich Pruschmann kaleidoskopartig der Geschichte und Gegenwart. Dabei liebt sie das Spiel mit Sprache, so dass ihre Erzählungen über Geschichten hinaus zu Kunstwerken werden. Das Buch blickt schonungslos auf den Menschen und fordert unausgesprochen auf, das Wesen und Wesentliche des Augenblicks zu erkennen. Sehr besonders und empfehlenswert.

Christine Vornehm

Christine Vornehm

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Lostage

Lostage

Tina Pruschmann
Residenz (2017)

218 S.
fest geb.

MedienNr.: 852201
ISBN 978-3-7017-1680-7
9783701716807
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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