Altweiberwohnen
Die Architektursoziologin Ulrike Scherzer und die freie Fotografin Juliane Socher haben hier allein und selbständig lebende Frauen im Alter von Mitte 70 bis über 90 in einfühlsamen Gesprächen zu ihrer Wohnsituation und ihrer Lebenseinstellung befragt: Da lebt die 86 jährige, kinderlose Gertraud S. in einer kleinen Genossenschaftswohnung, zu deren Bau sie nach dem Kriege 400 Arbeitsstunden leisten musste. Johanna S. (85) bewohnt als ehemalige Tierärztin ein großes Einfamilienhaus mit Stall und erklärt: "Ich sitze eigentlich wenig, meistens renne ich rum". Rahel A., jetzt 95 Jahre alt, kehrte nach einem Leben in der ganzen Welt nun mit Hund und Katze in das Dorf ihrer Kindheit zurück, getrennt von ihrem in Schweden lebenden Ehemann. Renate V. (88) lebt von ihren vielen Büchern umgeben in einer 2-Zimmerwohnung mit Betreuung. Deutlich wird in allen diesen Berichten: je älter man wird, umso mehr wird die Wohnung zum Lebensmittelpunkt. Besonders gelungen sind die unsentimentalen Fotografien. Diese reizvollen Individualberichte sind zugleich zeitgeschichtliche Dokumentation der Nachkriegszeit. Ein liebevoll gestaltetes Lesebuch, nicht nur Älteren bestens zu empfehlen.
Georg Roth
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Altweiberwohnen
Ulrike Scherzer ; Juliana Socher
Residenz-Verl. (2016)
149 S. : überw. Ill. (überw. farb.)
fest geb.