Das Gänseblümchen, die Katze & der Zaun
Die Katze lebt in einem zaunbegrenzten, äußerst sterilen Garten, in dem der extrem bieder und streng aussehende Manfred (Typ kurze Hose mit Hosenträgern und langen Socken im Schuh) störende Halme mit der Nagelschere abschneidet; seine Frau Lena
steht ihm in nichts nach, ist äußerst dominant und agiert sogar noch bornierter als er - sie ist es, die das Gänseblümchen radikal entfernt, an dem sich Katze und Zaun an dem Morgen, "in den die halbe Welt hineinpasste", erfreut haben und das sie mit ihren Mitteln vergeblich zu schützen versuchen. Für das Leben im Garten sind Manfred und Lena nur eine fundamentale Erschütterung, schlicht "das Wegbeben". Der Löwenzahnsamen macht es schließlich vor - fliegend überwindet er Grenzen. Nach einer Nacht mit grenzenlosem Sternenhimmel kommt endlich ein Morgen, "in den die ganze Welt hineinpasste": wild sprießen Löwenzahn und Gänseblümchen und sogar - wie es zu der Wandlung kam, wird nicht klar - das engstirnige Paar ist sichtbar Teil dieses Paradieses. Die sehr reduzierten Illustrationen in einer Mischtechnik aus (Wachs-) Zeichnung und Collage halten die Tristesse der Situation erschütternd eindringlich fest, wogegen der sprießende Garten ein hoffnungsvolles Grün trägt. Schon 1988 wurde der Stoff Rosenlöchers in der DDR als Komposition bzw. Kinderhörspiel veröffentlicht, 2002 als Geschichte in einer Anthologie (Insel Verlag) und nunmehr kongenial illustriert als Bilderbuch. Für Kinder lässt sich die Liebe zur Natur und die Liebe zum Kleinen herauslesen, für Erwachsene sehr, sehr viel mehr ... nicht zuletzt eine Allegorie auf die DDR und ihr Ende. Das Buch lädt zum intensiven Einlassen ein und dient nicht dem schnellen und gefälligen Konsum, dennoch (bzw. deshalb) dringend empfohlen.
Birgit Karnbach
rezensiert für den Borromäusverein.

Das Gänseblümchen, die Katze & der Zaun
Thomas Rosenlöcher ; Verena Hochleitner
Tyrolia-Verl. (2015)
[18] Bl. : überw. Ill. (farb.)
fest geb.
Borromäus-Altersempfehlung: ab 5