Die Uhr, die nicht tickt
Kinder zu bekommen und vor allem, Kinder bekommen zu wollen, gilt als die natürlichste Sache der Welt, vor allem für Frauen. Dass bei Männern ein Kinderwunsch nicht als ebenso natürlich vorausgesetzt wird, weist schon darauf hin, dass es hier nicht nur um Natur geht, sondern um große kulturelle Erzählungen, die Weiblichkeit wesentlich über Fruchtbarkeit definieren. Die Autorin geht diesen Erzählungen nach - mit Rückgriff auf aktuelle politische und feuilletonistische Debatten und auf zahlreiche Interviews mit Frauen, die sich gegen Kinder entschieden haben. Sie beleuchtet die geschichtlichen Hintergründe des heute als naturgegeben angenommenen weiblichen Kinderwunsches, seine politischen Funktionen und die mit ihm verbundenen Rollenerwartungen. Das Buch ist keine Streitschrift gegen das Kinderbekommen, sondern eine Auseinandersetzung mit dem heute dominanten Bild von der Kleinfamilie als Norm. Auch wenn manche ihrer Überlegungen mit traditionellen katholischen Auffassungen von Familie nicht zu vereinbaren sind, bietet das Buch interessante Auseinandersetzungen mit Entwürfen von Weiblichkeit jenseits der Sorge um eigene Kinder, die auch von Müttern bzw. Frauen mit Kinderwunsch mit Gewinn zu lesen sind.
Annette Jantzen
rezensiert für den Borromäusverein.
Die Uhr, die nicht tickt
Sarah Diehl
Arche (2014)
271 S.
kt.