Engele

Ende der 30er Jahre kommt die junge Krankenschwester Ruth aus Beuthen ans Virchowklinkum in Berlin. Sie stürzt sich in das brausende Leben der Großstadt und wird zum Schwarm vieler Männer. Doch als Lebenspartner sucht sie sich Siegfried Engele aus, Engele der trotz Uniform Musik studiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg, die Tochter ist schon geboren, verschlägt es Ruth zur Familie ihres Mannes in eine Kleinstadt. Das Wirtschaftswunder streift auch sie, bis Engele wegen Kindesmissbrauchs verurteilt wird. Die immer noch begehrte Ruth nimmt ihn nach der Haft wieder auf, entwickelt aber zunehmend Hass gegen ihn. Als ältere Frau wird sie die einzige Vertraute ihrer Enkelin. Diese versucht nach Ruths Tod, ihrem Geliebten die Familiengeschichte mit den sie ablehnenden Eltern nahezubringen. Ruths Schicksal ist nicht zu umgehen. Während des Erzählprozesses verdunkelt sich das Bild von der Großmutter. - Der Roman beginnt im Grunde mit der Frage, wie sage ich es ihm, und dabei denkt die Enkelin weniger an die glamourösen Erlebnisse ihrer Großmutter, sondern an den von den Nachkommen nicht verarbeiteten Schock über das Fehlverhalten Siegfrieds. Der Leser spürt, dass sich die Frau damit quält; aber er wird dadurch auch neugierig, um welches dunkle Geheimnis es sich handeln mag. So entsteht weitaus mehr Empathie als bei einer linearen oder gar chronologischen Erzählweise.

Pauline Lindner

Pauline Lindner

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Engele

Engele

Claudia Tieschky
Rowohlt Berlin (2018)

203 S.
fest geb.

MedienNr.: 882070
ISBN 978-3-7371-0033-5
9783737100335
ca. 20,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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