Ich bin Fagin
Fagin, ein jüdischer Waisenjunge, der nie eine Schule besuchen konnte, gerät in kriminelle Kreise und wird in eine Strafkolonie deportiert, um nach seiner Rückkehr in London von Hehlerei und Taschendiebstählen mehr schlecht als recht zu leben. Unter seinen Zöglingen, die er auf Beutezüge schickt, ist auch Oliver Twist, der Fagins "Diebesschule" aber entkommen kann. Fagin wird zu Unrecht des Mordes beschuldigt; kurz vor seiner Hinrichtung kann er Oliver noch einen großen Dienst erweisen. Als "Sozialdrama" ist diese umfangreiche Graphic Novel angelegt und als konträre Biografie zu der Oliver Twists, dessen Leben eine andere, glücklichere Wendung nimmt. Dem Autor war es wichtig, die Ursachen für Fagins Scheitern genauestens aufzuzeichnen: kleinkriminelle Milieus begleiten ihn von Jugend an und der Antisemitismus des britischen Bürgertums verhindert jeglichen gesellschaftlichen Aufstieg. Denn Fagin gilt immer noch als die große Figur der Weltliteratur, welche die uralten Stereotypen des kriminellen und verwahrlosten Juden bedient. Als Korrektur hat Eisner dazu "seinen" Fagin angelegt: ein zwar vom Leben gezeichneter Obdachloser, dessen gutes Herz aber so manch einem Straßenkind das Leben rettet. Präsentiert wird uns dieses Fagin-Bild in dem so weichen, etwas altmodischen Zeichenstil, der hier sogar an Blätter von Zille oder Kollwitz gemahnt. Als Gegenentwurf zum Glückskind Oliver Twist ist diese Graphic Novel gut geeignet, den Leser mit antiquierten Ressentiments der Romanliteratur des 19. Jahrhunderts zu konfrontieren.
Dominique Moldehn
rezensiert für den Borromäusverein.
Ich bin Fagin
Will Eisner
Egmont (2015)
Graphic novel
139 S. : überw. Ill.
fest geb.