Keine Form, in die ich passe
Die 16-jährige Tess hadert mit allem: mit ihrem Verhalten anderen Menschen gegenüber, dem Thema ihrer Abschlussarbeit und, wie der Leser erst allmählich erfährt, wie sie ihrem Lehrer begegnen soll. Es ist, als läse man in Tess' Tagebuch. Man verfolgt die nahezu naive Hingabe, mit der Tess die Ansprüche ihres Lehrers nach Bewunderung und praktischer Unterstützung erfüllt. Fassungslos wird der Leser Zeuge der Unverantwortlichkeit und des Egoismus des Lehrers, der Tess nicht nur schamlos ausnutzt, sondern auch emotional völlig alleine lässt. Es dauert lange, bis Tess begreift, dass nicht sie sich für das unpassende Verhalten des Lehrers schämen muss. Unerwartete Unterstützung erhält sie von einer trauenden Mutter, der sie in ihrer impulsiv-intuitiven Art begegnet ist. - Sassen schreibt sehr eindringlich und berührend von der Verletzlichkeit und der Verunsicherung der jungen Tess. Man kommt ihr sehr nah, behält jedoch so viel Abstand, dass man ihre Stärke schon lange sieht, bevor Tess selbst sich ihrer bewusst wird. Man freut sich auf den Moment, in dem Tess diese nutzt, um sich aus der Krise wieder ins Leben zurück zu bringen. Schließlich lässt der schlichte Satz ihres besten Freundes die empfundene Schwere nahezu verpuffen: "Du brauchst dich aber doch nicht zu schämen, weil du jemanden liebst?" - Ein absolut empfehlenswertes Buch. (Übers.: Rolf Erdorf)
Isabel Helmerichs
rezensiert für den Borromäusverein.
Keine Form, in die ich passe
Erna Sassen
Verl. Freies Geistesleben (2018)
222 S.
fest geb.