Eine große Zeit
Eine sexuelle Störung führt den erfolgreichen englischen Bühnenschauspieler Lysander Rief 1912 nach Wien, um dort durch einen Siegmund Freud nahestehenden Psychotherapeuten Heilung zu erlangen. Dazu trägt nicht unerheblich die leichtlebige Künstlerinnenmuse Hettie bei, deren Charme er alsbald erliegt, die ihn aber in arge Bedrängnis bringt. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges benötigt der britische Geheimdienst seine Dienste, die ihn ins Kriegsministerium führen, wo offensichtlich ein Maulwurf geheime Transportpläne weitergibt. Rief befindet sich inmitten eines gefährlichen Ränkespiels, dessen lose Fäden er erst allmählich verknüpfen kann. - Bereits mit dem brillanten Spionageroman "Ruhelos" (s. BP 07/325) erwies William Boyd sich als Meister dieses Fachs, auch sein neues Werk fasziniert durch seinen sehr persönlichen Blickwinkel auf diese von Verschwiegenheit und Einsamkeit geprägte Tätigkeit. Eine in unterkühlter, scharf beobachtender Weise erzählte Rahmenhandlung durchbricht er mit autobiografischen Aufzeichnungen Riefs, die von dem inneren Aufruhr zeugen, in dem sich der Agent oftmals befindet. Daraus ergibt sich ein ganz eigenes, brillant konstruiertes Spannungsfeld, das dem Leser tiefe Einsichten in die interessante Psyche der Hauptperson vermittelt. Trotz einiger deftiger Szenen sollte dieser vielschichtige und historisch brillant recherchierte Roman Eingang in alle Bestände finden. (Übers.: Patricia Klobusiczky)
Beate Mainka
rezensiert für den Borromäusverein.
Eine große Zeit
William Boyd
Berlin-Verl. (2012)
480 S.
fest geb.