Kind, versprich mir, dass du dich erschießt

Der Untertitel dieses Buches ("Der Untergang der kleinen Leute 1945") ist wenig hilfreich. Dem Autor geht es um die Tausende von Selbsttötungen kurz vor und nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands. Aus Tagebüchern, Briefen und Erinnerungen Kind, versprich mir, dass du dich erschießt hat er mosaikartig zusammengestellt, wie es aus Angst vor dem Zusammenbruch und den Eroberern vor allem, aber nicht nur, im östlichen Deutschland zu einer einmaligen Welle von Selbstmorden und erweiterten Selbstmorden kam, und zwar keineswegs nur bei den kleinen Leuten. Ausführlich schildert und belegt er die Vorgänge im Städtchen Demmin, wo sich Hunderte, oft ganze Familien, aus Angst vor den russischen Soldaten und auch nach Vergewaltigungen das Leben nahmen. Florian Huber will Licht in dieses lange verdrängte Kapitel der Zeitgeschichte bringen. Er geht der Frage nach, was in den Köpfen der Menschen vorging und schließlich die Katastrophe auslöste. Er zeigt auf, wie die nationalsozialistische Propaganda vor Kriegsbeginn und die Forderung nach dem Einsatz für den Führer bis zum Tod wirkte und wie viele Deutsche, die vom Dritten Reich begeistert waren, nach dem Zusammenbruch keinen Sinn mehr im Weiterleben sahen. Es wird deutlich, dass die Deutschen dazu neigten, sich selbst als Opfer zu sehen und die Schuld bei anderen zu suchen. Eine anspruchsvolle und nachdenklich machende Lektüre für an der Zeitgeschichte Interessierte.

Hans Niedermayer

Hans Niedermayer

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Kind, versprich mir, dass du dich erschießt

Kind, versprich mir, dass du dich erschießt

Florian Huber
Berlin-Verl. (2015)

302 S. : Ill.
fest geb.

MedienNr.: 787977
ISBN 978-3-8270-1247-0
9783827012470
ca. 22,99 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Ge
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