Liv
Kevin Kuhn verschränkt in seinem zweiten Roman (nach "Hikikomori", BP/mp 13/133) zwei Geschichten aus zwei Jahrhunderten. Den weitaus größeren Anteil bestreitet Liv, eine junge Israelin des 21. Jahrhunderts, die sich auf Weltreise begibt, um dem
Militärdienst zu entgehen. Sie ist ein "digital native", ortsungebunden und via Smartphone mit ihren Freunden und Verwandten immer verbunden. In ihren Blogs erhöht sie stetig die Zahl ihrer Follower, bis sie ihre Selbstentblößung via Livestream übertreibt und zur Gejagten wird. Parallel dazu wird die Geschichte von Franz erzählt, einem jungen Mann, der im Berlin der Roaring Twenties lebt und mit seiner Leica das glitzernde Nachtleben festhält. Die Geschichten werden abwechselnd wiedergegeben, wobei Livs Kapitel in der dritten Person in der Vergangenheitsform erzählt werden, während Franz selbst im Präsens erzählt. Das gibt seiner Geschichte Witz und eine Unmittelbarkeit, die den zeitlichen Abstand vergessen lässt. Beide Geschichten erscheinen ganz und gar eigenständig, doch sind sie durch das Motiv des Fotografierens verbunden und durch die jeweils eingreifenden Neuerungen ihrer Zeit: Elektrizität bzw. virtuelle Welt. - Der rasant erzählte Doppelroman kann gerne allen Büchereien empfohlen werden.
Karin Blank
rezensiert für den Borromäusverein.

Liv
Kevin Kuhn
Berlin-Verl. (2017)
492 S.
fest geb.