Ein Lied für die Vermissten

Der Waisenjunge Amin kehrt nach den Jahren in Deutschland als Teenager mit seiner Großmutter in seine libanesische Heimat zurück, wo ihm Land, Leute und plötzlich auch die Großmutter geheimnisvoll erscheinen. Wie ein schwieriges Puzzle setzen sich Ein Lied für die Vermissten Stücke seiner Familiengeschichte zusammen und erhellen nach und nach das Geheime und Unausgesprochene seiner Vergangenheit. Der Tod der Eltern wird in Verbindung mit dem Verschwinden vieler Menschen während des Bürgerkriegs gebracht; Funde von Leichen verwischen für den Jungen zu Tragödie und Abenteuerlust. Zwischen all diesem reift Amin, unerschütterlich befreundet mit Jafar und verliebt in ein sommersprossiges Mädchen, heran und beginnt zu begreifen, was seine Heimat beutelte, was Jahre danach den Libanon und die Nachbarstaaten des Nahen Ostens bestimmte. Diese Lebenswirklichkeit schafft Biografien, die von tiefer Menschlichkeit, unerfüllten Sehnsüchten, Mut und Freundschaft und Angst und Hoffnung erzählen. Und als Erzähler zeigt sich Pierre Jarawan, der mit erstaunlichem Können in die Tradition von Tausend und eine Nacht eintritt und aus dessen Geschichtsranken jeder Satz voller Liebe zur Sprache glänzt. Virtuos gewoben, leise, alle Sinne bedienend und dabei voll von historischem Gehalt gelingt es dem Autor, schwer zu Ertragendes leicht zu erzählen und dabei trotzdem dem Thema gerecht zu werden. Jarawans Figuren werden durch seine Zeichnung zu vertrauten Menschen, ihre Geschichten zu unmittelbar berührenden und Land und Leute erfahrbar. Ein wunderbares Buch! Sehr empfehlenswert!

Christine Vornehm

Christine Vornehm

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Ein Lied für die Vermissten

Ein Lied für die Vermissten

Pierre Jarawan
Berlin Verlag (2020)

461 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 943144
ISBN 978-3-8270-1365-1
9783827013651
ca. 22,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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