Glutnester
Was macht eigentlich ein Gedicht? Im besten Fall verwandelt es Welt in Vers, Rhythmus, Klang und Bild - und die Leser/-innen gleich mit. Es ist wie ein "Glutnest". Schreibt jedenfalls der 1964 geborene Helmut Krausser, der in erster Linie als findiger Erzähler bekannt ist. Aber auch Gedichte fallen ihm zu, er gibt ihnen Atem (ein altes religiöses Bild), "bis sie heller leuchten". Dann fängt der Dichter Feuer, wird Fackel und kann zündeln. Krausser spielt also mit dem Feuer. Seine Gedichte erhellen das bescheidene Künstlerglück, zu dem Pizza und Wein aus Kupferkelchen gehören. Andere Gedichte spielen mit Wortfetzen. Rom und Berlin kommen vor, aber auch die Pampa. Es gibt Scherz- und Kindergedichte. Der Dichter fragt sich, ob er auf "Heimat" einen "Reim hat", lässt den "Zufriedenhai" vom "Leidenschaf" vertreiben, macht aus einem Sturm ein Orchester, unterhält sich mit Beethovens Geist in Bonn, verehrt Rilke und Hölderlin. Kurzum: Der Lyrikband "Glutnest" ist ein bunter Strauß springlebendiger Poeme, unterhaltsam und lehrreich. Kann man von zeitgenössischer Lyrik mehr erwarten?
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
Glutnester
Helmut Krausser
Berlin Verlag (2021)
107 Seiten
fest geb.