Imre Kertész
Imre Kertész gehört neben Jean Améry und Primo Levi zu den literarischen Zeugen des Holocausts und der Auseinandersetzung mit dem Totalitarismus. Die Biografin und Literaturwissenschaftlerin Irene Heidelberger-Leonard entwirft mit ihrer Darstellung weniger einen Lebenslauf des Dichters als eine literaturwissenschaftliche Darstellung der Hauptwerke des Autors, anhand derer sein Werdegang aus den Erfahrungen des Lagers Birkenau und den Widrigkeiten im kommunistischen Ungarn bis zur Wendezeit nachgezeichnet wird. Vom frühen "Ich, der Henker" zum zentralen "Roman eines Schicksalslosen" bis zum "Galeerentagebuch" zieht sich das Ringen um einen Ausdruck der verbannten, fragwürdigen und schuldhaften Existenz eines Überlebenden, der sich fragt: "Wie aber, wenn der Mensch nicht mehr ist als seine Situation, die Situation im 'Gegebenen'?" Das Buch geht also ein auf jene biografisch-literaturwissenschaftliche Darstellung der bedrohten Existenz im 20. Jh., deren Freiheitsbegriff dem Existentialismus seine Radikalität verdankt. Dass in dieser Form die Daten des Lebenslaufs nicht Anknüpfungspunkte für (Er)Leben sind, das jenseits des literarischen Werks und von ihm abzulösen ist, versteht sich von selbst. In ihrer konzisen und einfühlsamen Sprache eröffnet die Autorin dem literarisch interessierten Leser einen profunden Zugang zu den Werken und der Person des 1929 in Budapest geborenen Literatur-Nobelpreisträgers. Für größere Bestände und literarisch anspruchsvollere Leser sehr empfehlenswert.
Helmut Krebs
rezensiert für den Borromäusverein.
Imre Kertész
Irene Heidelberger-Leonard
Wallstein (2015)
190 S.
fest geb.