Als ob sie träumend gingen

Wie schreibt man über einen verwirrten, ja verrückten Menschen? Wird es ein Schelmenroman (wie bei Grass), ein Romangleichnis (wie in Norbert Scheuers "Peehs Liebe", BP/mp 13/626), eine psychologische Novelle (wie in Marion Poschmanns "Sonnenposition", Als ob sie träumend gingen BP/mp 12/881)? Anna Baar, 1973 in Zagreb geboren, kann sich offenbar nicht entscheiden. Sie lässt das Leben ihres Helden, genannt Klee, im Ungewissen schwingen, zwischen psychologischer Erklärung und erzählender Parabel. Klee, das ist am Ende ein Fall für die Psychiatrie. Dort begegnen wir dieser Figur, als sie schon im hohen Alter ist, gezeichnet von einem Leben, das bloß auf Tonaufnahmen überliefert ist. Anhand derer macht sich der Erzähler - eine von der Autorin entworfene Kunstfigur - an die Arbeit. Es geht um Klees wahrlich verrücktes Leben in einem Dorf irgendwo an der kroatischen Küste. Klee blickt hinter die Kulissen, ein Voyeur wider Willen, er übersteht Weltkrieg und Kroatienkrieg, mit traumatischen Erfahrungen. Und macht die Erfahrungen von Liebe (mit der humpelnden Lily) und Trauer (über ein totes Maultier). Neugier auf ein verkapseltes Leben ist das Motiv des Erzählers, Sprachgewalt seine Stärke. Dagegen steht ein Mangel an Realismus, was den Leser, wenn nicht ratlos zurücklässt, so doch in eine Erinnerungstraumwelt versetzt, in der es keine klaren Markierungen von Ort und Zeit gibt. Gespaltene Lese-Erfahrung, für größere Bestände.

Michael Braun

Michael Braun

rezensiert für den Borromäusverein.

Als ob sie träumend gingen

Als ob sie träumend gingen

Anna Baar
Wallstein-Verl. (2017)

207 S.
fest geb.

MedienNr.: 591605
ISBN 978-3-8353-3124-2
9783835331242
ca. 20,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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