Die Entdeckung der Fliehkraft
Karl hat sich ein bodenständiges Leben aufgebaut. Er hat Lydia geheiratet, die Frau seiner Träume. Der gemeinsame Sohn Linus geht in den Kindergarten. Karl arbeitet als Deutschlehrer in einem Gefängnis und besucht regelmäßig seinen Vater im Pflegeheim. Unmerklich haben sich Karl und Lydia auseinandergelebt. Karl fühlt sich nicht mehr verstanden und Lydia leidet darunter, dass er sich verändert und immer verschlossener wird. In dieser Gemütsverfassung schreibt Karl einer Frau, die er ein Jahr zuvor bei einer Veranstaltung von Schulbuchverlagen kennengelernt hat. Seither gab es keinen Kontakt mehr und die Nachricht, die er schreibt, mutet sehr philosophisch an. Wäre Karoline M. nicht eine Gleichgesinnte, hätte sie auf diese seltsamen Äußerungen sicher nicht geantwortet. So jedoch entsteht eine kluge und tiefsinnige Konversation, die beiden immer wichtiger wird und Einfluss auf ihr Leben gewinnt. Auch das Nachbarskind Homer mit seinen ungewöhnlichen Fragen, die Inhaftierten mit ihren Vorgeschichten und der gebrechliche Vater, der sich an Szenen aus der Kindheit erinnert, lassen Karl intensiv über das Leben nachdenken und für die Leser/-innen ist es ein Vergnügen, ihn bei seinen Gedanken zu begleiten, die sich nah am Alltag bewegen. Kai Weyands "Applaus für Bronikowski" (2015) war in der Longlist für den Deutschen Buchpreis zu finden. Auch diesem neuen Roman ist eine große Aufmerksamkeit zu wünschen.
Gabriele Berberich
rezensiert für den Borromäusverein.
Die Entdeckung der Fliehkraft
Kai Weyand
Wallstein Verlag (2019)
197 Seiten
fest geb.