Die Flucht

Cassia, die sich inzwischen keinerlei Illusionen mehr über die Grausamkeit des Überwachungsstaats macht, in dem sie lebt (vgl. "Die Auswahl": BP/mp 1¿51f.), vermisst ihre große Liebe Ky, den die Gesellschaft als Kanonenfutter in die Äußeren Provinzen des Landes geschickt hat. Als Cassia endlich herausfindet, wo sie nach ihm suchen kann, ist Ky dem System schon längst entkommen und auf dem Weg in die zerklüfteten Schluchten des Grenzgebiets. Gemeinsam mit der undurchschaubaren Indie folgt Cassia seinen Spuren und glaubt sich am Ziel ihrer Wünsche, als sie Ky tatsächlich wieder in ihre Arme schließen kann. Doch auf einmal scheinen die beiden nicht mehr das gleiche Ziel zu haben. Cassia will sich unbedingt der sagenhaften "Erhebung" anschließen und die Gesellschaft durch Rebellion stürzen, Ky dagegen traut wegen seiner schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit niemandem und möchte sich am liebsten aus allem heraushalten. Auch im zweiten Teil der lesenswerten Dystopie gibt es also noch kein Happy End für die beiden jungen Leute, die am Schluss der Episode getrennt voneinander versuchen müssen, das Richtige zu tun. - Die sehr ruhige und breit angelegte Fortsetzung treibt die Geschichte rund um Cassia und Ky nur langsam voran und nimmt sich genügend Zeit, um den Leser mit den Überzeugungen und inneren Konflikten der beiden jugendlichen Protagonisten vertraut zu machen. Dies gelingt der Autorin v.a. deshalb so gut, weil sie immer wieder zwischen den Perspektiven der beiden hin- und herwechselt. Condie hält auf diese Weise in dem immer schwierigen Mittelband einer Trilogie das Interesse ihrer Leser wach. Der Verzicht auf allzu viel plakative Action lässt auf eine intelligente und überzeugende Lösung der Saga hoffen, die wegen ihrer zeitlosen Thematik rund um staatlichen Zwang und Freiheitsstreben nach wie vor viele junge Leser interessieren dürfte. (Übers.: Stefanie Schäfer)