Was wir scheinen
Im Sommer vor ihrem Tod verbringt Hannah Arendt vier Wochen in Tegna im Tessin. Sie will sich von ihrem Herzinfarkt ein Jahr zuvor erholen, viel schlafen, frische Luft und gutes Essen genießen. Mit den Einschränkungen des Alters kommt sie zurecht, doch der Tod vieler Freunde und ihres zweiten Mannes, Heinrich Blücher, machen ihr noch immer zu schaffen. Während sie entspannte Sommertage erlebt, erinnert sie sich an alte Weggefährten: an ihren Doktorvater Karl Jaspers, den Freund Walter Benjamin, der während des Zweiten Weltkrieges freiwillig aus dem Leben geschieden ist, oder ihre Begegnung mit Ingeborg Bachmann. Immer wieder kommt ihr der Eichmann-Prozess in Jerusalem in den Sinn, über den sie ihr vieldiskutiertes Buch "Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen" geschrieben hat. - Hildegard E. Keller, Professorin für Literatur in Zürich, Jurorin beim Bachmann-Wettbewerb (2009 - 2019) und Mitglied im Schweizer Literaturclub (2021 - 2019) bringt in ihrem ersten Roman einem breiten Lesepublikum die Philosophin Hannah Arendt näher. Mit großer Sympathie für die Protagonistin erzählt sie von privaten und öffentlichen Begebenheiten, die sich in etwa so zugetragen haben könnten. In ihrem Nachwort weist sie ausdrücklich auf die Fiktionalität ihrer Geschichte hin. Dennoch wäre ein Personenverzeichnis für die Leser/-innen, die sich im Kosmos um Hannah Arendt nicht auskennen, hilfreich gewesen. Ein Roman für geschichtlich und philosophisch interessierte Leser/-innen, der große Lust macht, sich näher mit dem Werk von Hannah Arendt zu beschäftigen.
Susanne Emschermann
rezensiert für den Borromäusverein.
Was wir scheinen
Hildegard E. Keller
eichborn (2021)
526 Seiten
fest geb.