Großer Bruder Zorn

Der Bellermannplatz ist das Zentrum des Geschehens; hier kommt es zu den Begegnungen, Auseinandersetzungen, Dramen. Da ist Aris, eigentlich Aristoteles, der im "Späti" seines Schwiegervaters arbeitet. Aris ist allerdings auch Boxpromoter, der es mit Großer Bruder Zorn den Steuerverpflichtungen nicht so genau nimmt. Serdar ist ein Boxer, der es trotz Talent nie in höhere Regionen geschafft hat, aber für Aris gelegentlich in einer alten Fabrikhalle boxt. Da ist Jessi, alleinerziehende Mutter einer fünfjährigen Tochter, die als Kassiererin im Supermarkt arbeitet. Sie hat eine üble Zeit hinter sich; ihr Mann schlug sie nachhaltig und wurde verurteilt. Aber der ist wieder in Freiheit und Jessi hat Panikanfälle, wenn sie ihn auch nur von Weitem erkennt. Ein ehemaliger Grenzsoldat der DDR, der seine Schüsse auf Flüchtlinge nie so recht verarbeitet hat und ein Verlierer der Wiedervereinigung ist, bestreitet seinen Lebensunterhalt größtenteils mit Flaschensammeln; dabei beobachtet er zumeist im Verborgenen die Aktivitäten der Kiezbewohner. - Der Autor und Journalist, Theodor-Wolff-Preisträger, lebt selbst auch in dem von ihm beschriebenen Umfeld. Seine genauen Schilderungen von Lebensumständen diverser Protagonisten unterschiedlicher Herkunft in einem überschaubaren Bereich sind überaus beeindruckend. Trotz der zumeist Alltäglichkeit des Geschehens ist die Geschichte auch spannend. Allerdings ist der Stil ungewöhnlich. Die Eingewöhnung dauert aber nur kurz und dann liest sich die Geschichte trotz fehlender Dialogkennzeichnungen gut und flüssig. Ein Roman, der ambitionierten Lesern besonders zu empfehlen ist.

Großer Bruder Zorn

Großer Bruder Zorn

Johannes Ehrmann
Eichborn (2016)

395 S.
fest geb.

MedienNr.: 812660
ISBN 978-3-8479-0601-8
9783847906018
ca. 19,99 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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