Die Engel von Sidi Moumen

"Alle Beweggründe, die man euch gegenüber anführt, und seien sie noch so verführerisch, sind Gründe, die in den Tod führen." (S. 76) Der Autor lässt den verstorbenen Selbstmordattentäter "Jashin" aus dem Jenseits (Titel!) über die Vorgeschichte und Umstände seiner fanatischen Tat erzählen, auch als Warnung für alle, die einer solchen Verführung zu erliegen drohen. Erzählt wird in einer schlichten unprätentiösen Sprache, wodurch natürlich das jugendliche Alter und die Unbedarftheit des Helden unterstrichen werden. - Kann man sich wirklich in die Psyche eines Selbstmordattentäters versetzen? Mahi Binebine, der in seine Romanen "häufig Protagonisten (beschreibt), die am Rand der Gesellschaft existieren und deren Leben auf eine dramatische Wendung zusteuert" (Nachwort der Übersetzerin Regula Renschler), unternimmt in seinem mehrfach preisgekrönten marokkanischen Roman diesen gewagten Versuch. In Sidi Moumen, einem Barackenslum vor den Toren Casablancas, "wo schließlich alle Verlierer landen" (S. 44), wächst der Junge in trostlosesten materiellen Verhältnissen auf. Gewalt, Drogen, Diebstahl, Müllfledderei, aber auch Fußball und die zärtliche Liebe zu einem Mädchen machen sein kurzes Leben aus, bevor er und einige seiner Freunde in den Bann fanatischer Islamisten geraten. Von ihnen werden die "Müllkinder" monatelang zu Selbstmordattentätern ausgebildet und schließlich "freigelassen wie hungrige Wölfe, bereit, die ganze Welt zu verschlingen". (S. 137) - Der recht kurze Roman basiert auf einer tatsächlichen Begebenheit. 2003 hatte sich in Casablanca eine Gruppe von 14 Jugendlichen auf ähnliche Weise in einem Hotel in die Luft gesprengt. In fünfjähriger Recherchearbeit und in einem quälenden Schaffensprozess - so der Autor - entstand dieser erschütternde Roman.