Oktoberplatz oder meine großen dunklen Pferde

Als sein 80-jähriger Großvater 1988 stirbt, fühlt sich der in der Belorussischen Sozialistischen Sowjetrepublik aufgewachsene Wasil alleingelassen. Denn seine Eltern sind alkoholabhängig, und Stanislau, sein Freund, muss sich um seine kranke Schwester Oktoberplatz oder meine großen dunklen Pferde kümmern. So bleiben ihm nur die fiktiven Gespräche mit dem aus Ungarn stammenden István, der sich trotz der Ereignisse von 1956 zeitlebens zum Sozialismus bekannte. Da Wasil das Geburtsland des Großvaters kennenlernen möchte, reist er 1990 nach Budapest. Als aufmerksamen und kritischen Betrachter enttäuscht ihn die kapitalistisch orientierte ungarische Gesellschaft. Wenn er in den 1990er Jahren auf der Suche nach einer Lebensperspektive in das inzwischen unabhängige Weißrussland zurückkehrt, verunsichern ihn die Repressalien, denen Oppositionelle ausgesetzt sind. Um sich politisch nicht engagieren zu müssen, weicht er ins Private aus und lädt schließlich große Schuld auf sich. - Dass der von Martin von Arndt (Jahrgang 1968) lakonisch erzählte, ironisch-sarkastisch angelegte Roman lebensnah wirkt, ist das Ergebnis sorgfältiger Recherchen in Weißrussland. Der Schriftsteller vermag somit über das literarische Porträt hinaus das Bild einer Gesellschaft zu zeichnen, die von ihrer sog. Freiheit nur bedingt Gebrauch machen darf. Über damit verbundene Ängste und Frustrationen sowie über Ignoranz und Feigheit zu erzählen, ist das Anliegen des Autors, der mit seiner lesenswerten Prosa unterhalten, vor allem aber sensibilisieren möchte.

Kirsten Sturm

Kirsten Sturm

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Oktoberplatz oder meine großen dunklen Pferde

Oktoberplatz oder meine großen dunklen Pferde

Martin von Arndt
Klöpfer & Meyer (2012)

273 S.
fest geb.

MedienNr.: 571753
ISBN 978-3-86351-023-7
9783863510237
ca. 19,90 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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