Into madness
Wie unsicher der Boden, auf dem wir stehen, tatsächlich ist, zeigt der Neuropsychologe Benjamin in diesem Buch. Anhand verschiedener Fallbeispiele weist er nach, wie sehr die Wahrnehmung von Menschen schwanken kann, ebenso wie unterschiedlich auch die Einstellung des Arztes seinem Patienten gegenüber sein kann. So berichtet er über eine ältere Frau, die nicht wahrhaben will, dass ihre Fehlleistungen mehr sind als "Schusseligkeit", und die doch genau spürt, dass sich etwas in ihrem Gehirn verändert; über einen Jungen, der mehr Aufmerksamkeit von seinen Eltern erhalten will, indem er sich mithilfe der elektrischen Eisenbahn Stromschläge versetzt; oder über die Spätfolgen schwerer Schädel-Hirn-Traumata. Welche Auswirkungen falsche ärztliche Diagnosen auf die Psyche von Menschen haben, wird eindrucksvoll an mehreren Beispielen geschildert. Zunehmend mischen sich die Falldarstellungen des Autors mit seiner eigenen Biografie und der Tatsache, wie wenig Ärzte Selbstreflexion betreiben. Am Ende verschwimmt auch die Grenze zwischen Arzt und Patient, zwischen Wahn und Wirklichkeit. Selbst Probleme mit der eigenen Wahrnehmung zu haben, ist von Psychologen und Psychiatern bekannt. Das öffentlich zu machen und über sich selbst zu schreiben, ist neu und aufschlussreicher als vieles, was bisher über psychische Probleme und Wahnvorstellungen geschrieben wurde. Faszinierend geschrieben, ist dieser Titel (trotz des Titelzusatzes) eher ein Sachbuch denn Literatur und für Leser geeignet, die sich für diese Themen interessieren. (Übers.: Simone Jakob)
Ileana Beckmann
rezensiert für den Borromäusverein.
Into madness
A. K. Benjamin
Ullstein extra (2019)
286 S.
fest geb.