Der Fall des Ökonomen

Der ungarische Schriftsteller György Dalos hat sich in den letzten Jahren vor allem mit Essays zu den kulturellen und politischen Transformationsprozessen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hervorgetan. Für seine Dokumontagen und historischen Berichte Der Fall des Ökonomen wurde er 2010 mit dem Leipziger Buchpreis zur europäischen Verständigung ausgezeichnet. Nun ist er wieder ins Romanfach gewechselt. "Der Fall des Ökonomen" ist die Geschichte eines verlorenen Sohnes, der sich den Tod seines Vaters, eines überlebenden Holocaust-Opfers, auf eine prekäre Weise zunutze macht. Er verschweigt ihn und kassiert von der Schweizer Stiftung zunächst ganz unbesorgt weiterhin Monat für Monat die Opferrente des Vaters: Grundlage für Geld, Wohnung, Arbeit - unverzichtbar auch im postsozialistischen Leben. Problematisch wird es für Gábor Kolozs, als sein Vater auf dem Papier hundert Jahre alt wird und sich die Presse mit großem Getöse anmeldet. Mit Humor und historischem Tiefgang erzählt Dalos die Geschichte eines Homo oeconomicus, der auf moralische Skrupel nur zeitweise verzichten kann, um eines besseren Lebens willen. Diesem Leben mit den Stationen eines Studiums in Moskau, einer finanziellen Sanierungs-Ehe, eines Dissidenten-Prozesses und einer kurzen parlamentarischen Karriere als Wirtschaftspolitiker sinnt der Roman in langen Rückblenden nach. Das "Bauen" - des Lebens, der Moral - ist das zentrale Thema des Romans, der "Fall" ist demgemäß ein juristischer wie auch ein ethischer. - Lesenswert also auch als Parabel auf das Bauen in einer "verschlossenen Welt". Allen Beständen empfohlen.

Michael Braun

Michael Braun

rezensiert für den Borromäusverein.

Der Fall des Ökonomen

Der Fall des Ökonomen

György Dalos
Rotbuch-Verl. (2012)

190 S.
fest geb.

MedienNr.: 360365
ISBN 978-3-86789-153-0
9783867891530
ca. 18,95 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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