Ein Sonntagskind

Gleich ob Günter Grass, Walter Jens oder Helmut Schmidt - die historisch-analytische Aufarbeitung der Verstrickung linksliberaler Biographien tut sich schwer, zu einem wirklichen Verstehen zu kommen. Bessere Möglichkeiten bietet die Erzählung. Koneffkes Ein Sonntagskind "Sonntagskind" ist eine, bei der es zwar keinen Sinn macht, historische Vorlagen extrahieren zu wollen, die aber gut nachempfinden lässt, wie Schuld und Versagen zur unerträglichen Lebenslast einer ganzen Generation werden. "Sonntagskind" erzählt die Geschichte eines Menschen, der mit unglaublichem Glück der Todesmaschinerie des Krieges entkommt, sich durch die Wirren und Fallstricke der Nachkriegszeit hindurch schlängelt, um schließlich nach einer glanzvollen Karriere zum linksliberalen Vorzeigedemokraten der Republik zu werden. Dabei verdrängt er allerdings seine Vergangenheit und verliert seine Identität, kann für sich und andere nie der sein, der er wirklich ist. - Man darf nicht empfindsam sein, um diesen Roman zu lesen. Brutale Gewalt, ein gotterbärmliches Sterben und sinnentleerter Sex schlagen sich auch in der Sprache nieder und drängen sich in Schreckensbildern auf, die man so schnell nicht wieder vergisst. Doch solche Zumutungen zeigen den Nachgeborenen nicht nur, wie Krieg wirklich ist, sondern stellen auch deren penetrantes moralisches Überlegenheitsgefühl gründlich in Frage.

Richard Niedermeier

Richard Niedermeier

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Ein Sonntagskind

Ein Sonntagskind

Jan Koneffke
Galiani Berlin (2015)

579 S.
fest geb.

MedienNr.: 582010
ISBN 978-3-86971-107-2
9783869711072
ca. 24,99 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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