Glücksritter

Zu Beginn muss sich der Ich-Erzähler, der mit dem Autor Michael Kleeberg gleichgesetzt werden darf, furchtbar über den Vater aufregen, als Mailrecherchen ergeben, dass die Eltern wohl einem Finanz- und Anlegebetrüger aufgesessen sind und viel Geld Glücksritter in den Sand gesetzt haben. Die Kommunikation zwischen Sohn und Vater ist dann eine konfliktgeladene, teilweise tabuisierte, dann aber gekonnt überspielende, die Fassaden, Sehnsüchte und Lebensentwürfe letztlich unangetastet lässt. Um zu verstehen, warum der Vater ist, wie er ist, und letztlich der Sohn sein Selbstbild von elterlichen Prägungen nicht lösen kann, taucht Kleeberg in die Geschichte der Ursprungsfamilien ein, wo vorenthaltene Liebe, Bevorzugung, Status, Lavieren und Überleben Charaktere erklären wollen. Dieses Panorama geht über das Persönliche hinaus und bettet es in die Zeitgeschichte des Nationalsozialismus in Deutschland ein, sucht Gründe für Verhalten, das spätere Generationen nicht mehr entschuldigen wollen und Gründe für Verhaltensweisen, die sich in allen späteren Beziehungen und Lebenszielen spiegeln. Diesem ist der Heranwachsende Michael K. ausgesetzt und reflektiert nun retrospektiv, wieviel der Familiengeschichte ihn fest im Griff hat. Der Roman stellt ein Sammelsurium dar. Tagebuchaufzeichnungen der Mutter, Erzählungen des Vaters, Reflexionen und Recherchen ergeben das Bild, das den Vater als Suchenden, als Glücksritter eben, der wohl sein Ziel nicht erreichte, zeichnet. Kleeberg bezieht sich literarisch immer wieder auf Filme, zitiert bekannte Autoren und lässt sein Bild mit einem Vers aus Rilkes Panther enden. Das klingt nach der Poesie, die erwünscht, aber nicht erreicht ist. Ein sehr persönliches Buch des Autors Michael Kleeberg.

Christine Vornehm

Christine Vornehm

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Glücksritter

Glücksritter

Michael Kleeberg
Galiani Berlin (2020)

232 Seiten : Illustration
fest geb.

MedienNr.: 602042
ISBN 978-3-86971-140-9
9783869711409
ca. 20,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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