Die Tsantsa-Memoiren
Es ist der mitleidige Blick eines Totenkopfaffen, der den Schrumpfkopf (in Venezuela Tsantsa genannt) aus seiner dumpfen Schwärze langsam wieder zu sich kommen lässt. Seinem nächsten Besitzer, dem Engländer Oliver Clifton verdankt der Tsantsa ein neues Leben. Als der Tsantsa nämlich mit Clifton in Rom zufällig einer Hinrichtung beiwohnt, kommen Erinnerungen hoch, und er ruft dazwischen. Clifton meint, sich verhört zu haben. Zu Hause sprechen sie miteinander und Clifton erkennt nicht nur dessen Seele, sondern auch das Potential, das in ihm steckt. Fortan setzt er nämlich den Schrumpfkopf als Spion in Liebesdingen ein. Weitere Besitzer folgen. Einer macht den Tsantsa zum Objekt seiner wissenschaftlichen Studien; beinahe vergammelt er später in einem Fluss oder verbringt Monate in einer dunklen Dachkammer. Doch immer wieder kommt er ans Licht des Tages. - Dem mit Preisen ausgezeichneten Autor Jan Koneffke gelingt es hervorragend, die Leser/-innen in sein hanebüchenes Experiment mit einem sprechenden Schrumpfkopf hinein zu locken; sie werden von seiner Fabulierlust über Kontinente und vom 18. Jh. bis in die Gegenwart getragen. Ein Abenteuer- und Bildungsroman, wie man ihn noch nicht gelesen hat. Für alle Bestände sehr gerne empfohlen.
Karin Blank
rezensiert für den Borromäusverein.
Die Tsantsa-Memoiren
Jan Koneffke
Galiani Berlin (2020)
556 Seiten
fest geb.