Der Oboist des Königs
Schaut man bei Wikipedia unter Johann Jacob Bach, eröffnet sich sogleich ein Lebensfeld im 18. Jh., das von Thüringen über Dresden, Schweden bis nach Konstantinopel (heute Istanbul) reicht und in dem sich Ereignisse wie Neuerungen im Instrumentenbau ebenso finden wie die Schlacht von Poltawa, die eine schwere Niederlage für den Dienstherren Karl XII. von Schweden brachte und seinen Hofmusiker in die Flucht bis Konstantinopel trieb. Das 40 Jahre währende Leben des Oboisten Johann Jacob, das so ganz anders verlief als das des jüngeren Bruders, entfaltet der Autor in seinem biografischen Roman mit großem Vergnügen und detailreicher Schilderung. Dem Leser wird ein eindrucksvolles Zeitbild, zentriert um die Zustände und Entwicklungen am Hofe des Schwedenkönigs vorgeführt, das sich wesentlich an die historisch bekannten Lebensdaten seines Helden hält. Der Autor hält dabei Distanz zu seiner Figur, erfindet kein komplexes Seelenleben oder Liebesintrigen, was dem Buch als historischem Roman nur gut tut. Abwechslungsreich, an einer Stelle selbst mit einer Ich-Stimme versehen (im Kapitel "Bekenntnisse einer verirrten Seele"), nimmt Olaf Schmidt den Leser mit auf diese Zeit- und Europareise, die die Zustände zwischen 1695 und 1715 (die Erzählung endet sieben Jahre vor J. J. Bachs Tod) durch einen spannungsvollen Erzählfluss plastisch vor Augen führt. Für Liebhaber historischer Romane ohne größere Liebesverwicklungen sehr zu empfehlen.
Helmut Krebs
rezensiert für den Borromäusverein.
Der Oboist des Königs
Olaf Schmidt
Galiani Berlin (2019)
590 S.
fest geb.