Die Einsamkeit der Seevögel
Das Warten einer Wissenschaftlerin auf das Eintreffen bestimmter Zugvögel am nördlichsten Zipfel Norwegens entwickelt sich zu einer Gedankenreise in die Vergangenheit der Protagonistin. Vor allem die krachend gescheiterte Ehe sorgt für düstere Stimmung in der kargen Schneelandschaft. In der Folge vermischen sich in der Wahrnehmung der Hauptperson Realität und Wahnvorstellungen und jedes Geräusch in der alten Holzhütte entwickelt sich für sie zur scheinbaren Bedrohung, oder ist doch etwas oder jemand da draußen und beobachtet sie? Der gelungene Debütroman der Autorin Gøhril Gabrielsen erzielt eine gewisse Sogwirkung. Die karge, verlassene Landschaft lässt viel Spielraum für Fantasie, beispielsweise erträumt sich die junge Forscherin die Lebensgeschichte der Familie, die vor hundert Jahren einmal in der Hütte lebte, in der sie ihr Lager aufgeschlagen hat. Gleichzeitig sorgt die Einsamkeit und das Warten auch für einen schleichenden Realitätsverlust bei der Hauptperson, eine Entwicklung, von der der Leser zunächst nichts mitbekommt. "Die Einsamkeit der Zugvögel" ist ein spannendes und bewegendes Buch. Die Hörbuchfassung wird von der Schauspielerin Jutta Seifert gelesen, die trotz der eher nüchternen Sprache der Autorin die zum Ende hin klaustrophobische Spannung transportieren kann.
Sebastian Heuft
rezensiert für den Borromäusverein.
Die Einsamkeit der Seevögel
Gøhril Gabrielsen ; gelesen von Jutta Seifert ; aus dem Norwegischen von Hanna Granz
steinbach sprechende bücher (2019)
1 mp3-CD (circa 287 min)
mp3-CD