Die Liebesgeschichtenerzählerin
Ende der sechziger Jahre ist die nahezu 50 Jahre alte Marie von Mollnitz alleine unterwegs in Holland, um Recherchen anzustellen. Seit Langem plant sie, einen Roman zu schreiben. Einen Roman, der die geheime Liebesgeschichte des Prinzen von Holland und späteren Königs mit Maries Urururgroßmutter erzählen soll. Am Meer sitzend drängen sich die Erinnerungen an den Vater, einen U-Boot-Kapitän im Ersten Weltkrieg in den Vordergrund. Sie sind gezeichnet von Kaisertreue, Krieg, Schuld und Verdrängung aber auch von einer sich zart entwickelnden Liebesgeschichte in Mecklenburg. Marie, die "Liebesgeschichtenerzählerin", lässt auf der Heimreise die Gedanken fließen. Es sollen nun drei Romane entstehen, auch einer über ihre eigene Ehe, die einer ungewissen Zukunft entgegengeht. - Friedrich Christian Delius, mehrfach ausgezeichneter Schriftsteller, hat einen Roman geschrieben, der den Leser nachdenklich zurücklässt. Es gelingt ihm wunderbar, die Geschichten dreier Generationen, die allesamt von Kriegen geprägt sind, in Beziehung zu setzen. Absatzlange Sätze vermitteln die Atemlosigkeit der an die Oberfläche drängenden Erinnerungen. Das graue Cover lässt bereits vermuten, dass den Leser keine romantischen Geschichten erwarten. Der Roman lebt von der Realität, in der schwere und schöne Lebenszeiten ihren Platz haben. Sehr lesenswert!
Gabriele Berberich
rezensiert für den Borromäusverein.
Die Liebesgeschichtenerzählerin
Friedrich Christian Delius
Rowohlt Berlin (2016)
205 S.
fest geb.