"Es muss noch etwas anderes geben als Angst und Sorge und Herrn Hitler"

Artur und Grete heiraten am 9. November 1932 in Görlitz an der tschechischen Grenze. Artur und Grete heiraten am 9. November 1932 in Görlitz an der tschechischen Grenze. Der 42-jährige Artur ist Jude und die große Liebe der jüngeren Grete. Die "Es muss noch etwas anderes geben als Angst und Sorge und Herrn Hitler" Machtergreifung der Nazis steht unmittelbar bevor. Was das für ihren Alltag und ihr Leben bedeuten wird, kann das Paar zu diesem Zeitpunkt nur ahnen. Begriffe wie "deutschblütig" und "Rassenschande" haben ihre Macht noch nicht entfaltet. Doch erste Auswirkungen zeigen sich schnell, Artur verliert seine Arbeit, bei den Schwiegereltern ist er nicht gut gelitten. Aber Grete und Artur halten zusammen. Sie sind beide eher optimistische Menschen, das Land verlassen, wie einige ihrer Freunde es ins Auge fassen, wollen sie nicht. Sie bekommen zwei Kinder und bauen ein Haus. Bewusst halten sie ihren kleinen Kosmos frei von Politik, soweit es irgend geht. Grete: "Ich möchte mich um uns kümmern und nicht um Herrn Hitler". Unpolitisch im Denken ist sie trotzdem nicht und sieht sehr wohl die Missstände und Ungerechtigkeiten und leidet unter dem zunehmenden Misstrauen in der Gesellschaft. Nur wenige echte Freunde bleiben. Auch als Artur inhaftiert wird, verliert Grete nicht den Mut. Sie vertraut darauf, dass er durch die Ehe mit ihr und durch das Ansehen ihrer Herkunftsfamilie geschützt wird und weigert sich, sich scheiden zu lassen, obwohl ihr das nahegelegt wird. - Das Buch entstand nach Aufzeichnungen von Grete und nach mündlichen Berichten von Gretes Sohn und Enkelin, die mit ihren Überlegungen auch in einzelnen Kapiteln zu Wort kommt. Im Rückblick scheinen diese beiden Menschen insgesamt doch recht blauäugig durch diese Zeit gegangen zu sein. Wenn Grete sagt: "Es kann gar nicht sein, dass es immer so weiter geht, es muss bei aller Ungerechtigkeit so etwas wie Gerechtigkeit geben!", so wissen wir heute, dass das für viele Schicksale nicht zutreffend war. Das Buch liest sich flüssig und leicht, doch bei aller belletristischer Bearbeitung bleibt für den Leser - vielleicht beabsichtigt - immer ein Gefühl von außen, von Nacherzählung. Die beigefügten Fotos sind leider wenig aussagekräftig. Im Meer der Bücher aus dieser Zeit eine eher unspektakuläre Geschichte, die jedoch in jeder Bücherei angeboten werden kann.

Ulrike Braeckevelt

Ulrike Braeckevelt

rezensiert für den Borromäusverein.

"Es muss noch etwas anderes geben als Angst und Sorge und Herrn Hitler"

"Es muss noch etwas anderes geben als Angst und Sorge und Herrn Hitler"

Gerhard Spörl
Rowohlt (2016)

332, [16] S. : Ill.
fest geb.

MedienNr.: 587722
ISBN 978-3-87134-837-2
9783871348372
ca. 19,95 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Bi, Ge
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