Gehen
Seit einem Jahr ist Torbjørn Ekelund nicht mehr Autofahrer und geht vorwiegend zu Fuß. Er schenkt dem Gehen und den Wegen nun eine besondere Aufmerksamkeit. Mit einem Freund wanderte er ohne Kompass und GPS abseits der Wege durch ein Waldgebiet. Nach zwei Tagen Orientierungslauf hatten sie sich nur 5,5 km vom Ausgangspunkt entfernt. Orientierungssinn, Ortsgedächtnis und das Einschätzen von Entfernungen - Fähigkeiten der Steinzeitmenschen, die auf Nahrungssuche Nomaden waren - sind uns verloren gegangen. Die enge Bindung zwischen Menschen und Orten entstand erst durch Landwirtschaft und Sesshaftigkeit. Als Kind verbrachte seine Familie viel Zeit in einer Hütte. Er erinnert sich detailliert an einen dort viel gelaufenen Weg und beschreibt ihn genau, die Vegetation, die Bodenbeschaffenheit, das Kleinklima und die dort lebenden Tiere. Als Erwachsener wandert er nun zu dieser Hütte und findet den Weg aus seiner Kinderzeit völlig verändert. Nur ein großer Felsen ist auch nach 40 Jahren noch da. So stellt er fest, dass man einen Weg nicht zweimal gehen kann. Leben bedeutet auch stete Veränderung für Menschen, Tiere und Pflanzen. Er berichtet von großen Wanderwegen, Erfahrungen und Erkenntnissen. So ist das langsame Gehen eine unterschätzte Kunst, mit der wir die Welt wieder umfangreicher wahrnehmen könnten, statt recht fokussiert durch den Alltag zu laufen. Allgemein sehr empfehlenswert.
Brigitte Müller
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Gehen
Torbjørn Ekelund ; aus dem Norwegischen von Andreas Brunstermann
Malik (2021)
203 Seiten
fest geb.