Revolutionen auf dem Rasen

Jonathan Wilsons Buch trägt den Untertitel "Eine Geschichte der Fußballtaktik" und schildert die planmäßige Organisation des Spiels von den Anfängen im 19. Jh. bis zur Gegenwart. Dabei macht der englische Autor deutlich, wie seit Generationen über die Aufteilung des Raumes oder die Bewegung der einzelnen Mannschaftsteile nachgedacht wird. Oft kamen die großen Innovationen nicht aus den Weltmeister-Ländern, wie Deutschland oder England, sondern von Trainern aus Österreich, Ungarn oder Russland. Eine Ausnahme bildet Brasilien, wo schon sehr früh unter dem Einfluss europäischer Trainer wie Bela Guttmann über taktisches Verhalten nachgedacht wurde. Wilson schildert anschaulich, wie etwa die ungarische Nationalmannschaft in den 1950er Jahren durch die Aufgabe eines starren Positionsspiels den Sport grundlegend veränderte und dynamisierte. Der Autor blickt aber noch viel weiter in den Osten und macht deutlich, dass bereits um dieselbe Zeit Viktor Maslow bei Dynamo Moskau das heute viel beschworene Pressing entwickelte, bei dem bereits die Mittelfeldspieler die gegnerische Mannschaft bedrängen. Wilson zeigt, dass solche taktischen Erneuerungen auch bestimmte Bedingungen voraussetzen - etwa eine verbesserte körperliche Fitness, die durch eine bewusste Ernährung und Konditionstraining nur im Profifußball möglich sind. Und er macht deutlich, dass diese Veränderungen immer mit genialen Trainern und begabten Spieler einhergehen. - Das Buch ist, abgesehen von einigen Schwerfälligkeiten in der Übersetzung aus dem Englischen, flüssig und unterhaltsam zu lesen. Für alle Sportinteressierten, denen es nicht genügt, wenn ehemalige Fußballgrößen im Fernsehen Spiele mit platten Floskeln analysieren.