Winesburg, Ohio

Sherwood Andersons "Winesburg, Ohio" gehört zu den Schlüsselwerken der modernen Literatur in den USA, ein Werk, das in einem anderen Land so nicht hätte entstehen können. In 24 Erzählungen und Porträts beschreibt Anderson das Leben in einer amerikanischen Kleinstadt. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten hat hier seine engen Grenzen gefunden, es ist ein Land der unerfüllten Sehnsüchte geworden. Es sind durchwegs Gescheiterte, die durch die Stimme des Zeitungsreporters George Willard dem Leser vorgestellt werden. Die in ihrer Skurrilität und Verbiegungen großartig gezeichneten Figuren scheinen sich wie in einem Traum zu bewegen: die Lehrerin, die ohne Aussicht auf Erfüllung in ihren begabten Schüler Willard verliebt ist und eines Nachts nackt durch den Regen läuft; der erfolgreiche Farmer, der im Bewusstsein seiner Gotterwähltheit die Geschichte von Abraham und Isaak nachstellt; der Doktor, der verruchte Geschichten um die eigene Person erfindet, die aber auch wahr sein könnten. Sie sind in eine Landschaft gesetzt, die Anderson immer wieder meisterhaft skizziert, eine Erinnerung an das Glück, das dieses Stück Erde den Menschen verheißen hat. Die scheinbar einfachen Sätze Andersons sind stets mit einer großen dichterischen Kraft aufgeladen, die auch in der Übersetzung von Mirko Bonné zu spüren ist, dem dabei offenbar sein eigenes Schaffen als Lyriker zugutekommt. Sie macht deutlich, warum "Winesburg, Ohio" zu einem Klassiker der nordamerikanischen Literatur geworden ist, an dem die späteren Nobelpreisträger Faulkner und Hemingway anknüpfen und Maß nehmen konnten. Hervorzuheben sind die beigefügten Bilder aus Andersons eigener Heimatstadt Clyde und das Nachwort des Übersetzers. Sie erhellen die die Atmosphäre und die Entstehungsgeschichte des Werkes.