Die Macht der Schrift
Die Welt heute sähe anders aus, wäre sie nicht von Texten geprägt, die ihre Geschichte bestimmt haben und noch immer bestimmen. So die These des gebürtigen Erlangener Harvard-Professors Martin Puchner. Der Universitätslehrer und Schöngeist legt mit diesem gewichtigen Buch ein hochintellektuelles und zugleich modern argumentierendes Opus vor. Es plädiert für die Wirkkraft des Wortes gegenüber jeglicher Militanz, die sich auf die Stärke von gewalttätiger Aktivität stützt, um Weltgeschichte zu "schreiben". Zu den einflussreichen "Grundlagentexten" zählt Puchner - mit der Bibel im Zentrum - die "Ilias" des Homer ebenso wie etwa die Geschichten aus "Tausendundeiner Nacht", Cervantes' "Don Quijote", Goethes Italienreise-Aufzeichnungen oder Werke der Anna Achmatowa und Solschenizyns. Puchner endet nicht bei Harry Potter. Er schließt die "postkoloniale Literatur" des Derek Walcott nicht aus und hofft auf den Bedeutungszuwachs elektronisch vermittelter Texte. Auch wenn das Buch Grundkenntnisse der Weltliteraturgeschichte voraussetzt und einen Leser braucht, der sich jeder Oberflächlichkeit einer erhofften leichten Lektüre entzieht - es setzt ganz klar auf Spannung, schon allein dadurch, dass sich sein Autor ganz persönlich einbringt und hiermit in einen schönen Dialog mit dem Leser tritt. - Der mehr als angemessene Ladenpreis sollte keine an Weltliteraturgeschichte interessierte Bücherei vom Einstellen dieses kostbaren Titels hindern.
Hans Gärtner
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Die Macht der Schrift
Martin Puchner
Blessing (2019)
445, [16] S. : Ill. (z.T. farb.), Kt.
fest geb.