Göttliches Tagebuch

Kann man einen Roman aus der Perspektive Gottes schreiben? Irgendwie sinnvoll kann das natürlich nur in einer ironisch gebrochenen Weise gelingen - dann kann es aber sogar erstaunlich vielschichtig sein, wie Giacomo Sartori zeigt: Gott, mal wieder Göttliches Tagebuch quer durchs Universum unterwegs, richtet eines Tags seinen Blick zufällig auf Mailand, und da fällt ihm ein ungewöhnliches Mädchen auf, ziemlich groß, nicht besonders hübsch, aber doch irgendwie reizvoll. Er weiß anfangs selbst nicht, warum ihn diese Dafne fasziniert, obwohl sie solch eine dezidierte, ja geradezu fanatische Atheistin ist. Noch viel mehr missbilligt er es, dass sie außerdem ein ziemlich ausschweifendes Sexleben hat. Immer mehr muss Gott sich schließlich eingestehen, dass er sich wohl oder übel in das Mädchen verliebt hat. Er schreibt alles in einem Tagebuch auf, um selbst Klarheit zu bekommen und einen Weg zu finden, diesem Gott ganz und gar nicht angemessenen Abenteuer wieder zu entkommen. - Wer hier einen im eigentlichen Sinne "religiösen" Roman erwartet, wird natürlich oft schockiert und empört sein: über "Gottes" allzu menschliches Denken, seine manchmal derbe Ausdrucksweise, seine Verachtung gegenüber nahezu allen tradierten religiösen Formen - religiöse Leser können sich wenigstens damit trösten, dass atheistische Leser von Gott als Autor natürlich ebenso brüskiert werden ... Das ist zum einen natürlich nicht völlig ernst zu nehmen - jeder weiß ja, dass hier nicht Gott selber spricht, sondern der Autor als Gott - und darum immer wieder höchst amüsant zu lesen, gewisse logische Widersprüche sind von vornherein unvermeidlich, stören aber darum nicht wirklich. Zum anderen werden alle, die offen sind für religiöse Fragen, hier aber trotz der durch und durch ironischen Grundperspektive auch viel Nachdenkenswertes finden. Und ob nun gewollt oder nicht, am Ende fragt man sich unwillkürlich, wie man selbst wohl die Welt mit Gottes Augen ansehen würde - und vielleicht sogar: wie Gott selbst sie wohl sehen mag.

Thomas Steinherr

Thomas Steinherr

rezensiert für den Borromäusverein.

Göttliches Tagebuch

Göttliches Tagebuch

Giacomo Sartori ; aus dem Italienischen von Werner Menapace
Launenweber (2019)

LW italica
294 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 936307
ISBN 978-3-947457-04-5
9783947457045
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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