Mein Jahr der Ruhe und Entspannung
Die 26-jährige Protagonistin ist der Welt und des Lebens überdrüssig und beschließt, sich über ein Jahr hinweg in den Schlaf zu flüchten. Hierfür nimmt sie starke Schlafmittel, deren Erwerb der einzige Grund ist, die Wohnung zu verlassen, wobei sie sich widerwillig in das anonyme Getümmel New Yorks schlägt und das Notwendigste kauft. Die eigenen Aussagen nach hübsche, hochgewachsene Frau verkommt nach und nach äußerlich, da das Außen für sie keine Rolle mehr spielt. Nur vereinzelt werden ihr Sozialkontakte aufgedrängt, wie z.B. die Besuche ihrer Freundin, der gegenüber die Ich-Erzählerin schonungslos ablehnend reagiert. Der Leser lernt wie durch einen Scheinbericht die namenlose Hauptfigur als verwöhntes, gut situiertes Mädchen aus gutem Hause kennen, dass sowohl von den Eltern als auch ihrem Exfreund emotional mit Füßen getreten wurde. Trotzdem will der Roman der kroatisch-persischen Autorin kein Psychogramm sein, sondern erzählt eine spannende Geschichte der Flucht vor der eigenen Identität. - Die Mischung sprachlicher Unaufgeregtheit und Präzision mit inhaltlicher Unerhörtheit, Sarkasmus ist faszinierend erschreckend, fast zynisch. Die Autorin kommt ohne aufregende Ereignisse aus und bedient sich lediglich der Sektion des Menschseins, um ihre Leserschaft zu fesseln. Das Ergebnis ist eine Zeitdiagnose, die sich sogar des Witzes bedient, da es vielleicht der einzige Weg ist, das Dasein zu ertragen. Ein ganz besonderer Roman. Man möchte mehr von dieser Autorin lesen. (Übers.: Anke Caroline Burger)
Christine Vornehm
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Mein Jahr der Ruhe und Entspannung
Ottessa Moshfegh
Liebeskind (2018)
313 S.
fest geb.